29 Juli 2025
In einem Land, in dem Fitness endlich ihren Platz im Alltag findet, häufen sich Schlagzeilen über junge, scheinbar gesunde Menschen, die während des Trainings oder eines Marathons zusammenbrechen. Was einst Grund zum Feiern war – Indiens wachsendes Bewusstsein für Sport –, wirft nun beunruhigende Fragen auf. Wie kann es sein, dass Menschen, die fit aussehen, regelmäßig trainieren und unter dem Hashtag #healthyliving posten, plötzlich einen Herzinfarkt erleiden?
Die Antwort ist nicht einfach. Aber sie beginnt oft mit dem, was wir nicht sehen, mit dem, was der Betroffene selbst vielleicht nicht über sein eigenes Herz weiß. Wir sprachen mit Dr. Johann Christopher, Facharzt für interventionelle Kardiologie, CARE Hospitals, Banjara Hills, Hyderabad, der erklärte, dass ohne eine Untersuchung des Herzens selbst die fittesten Körper den tödlichsten Risiken ausgesetzt sein können.
Herzstillstand und Herzinfarkt sind unterschiedliche Erkrankungen. Beim Herzstillstand handelt es sich um ein plötzliches elektrisches Versagen, das zum Aufhören des Herzschlags führt. „Obwohl er durch bekannte Herzerkrankungen verursacht werden kann, wird er bei jüngeren Erwachsenen häufig durch zuvor unentdeckte strukturelle oder elektrische Anomalien ausgelöst. Dazu gehören Erkrankungen wie die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM), die arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC) oder angeborene Reizleitungsstörungen“, erklärte Dr. Christopher.
Aktuelle Daten speziell für Indien deuten laut dem International Journal of Cardiology Sciences auf einen beunruhigenden Anstieg plötzlicher Herztode bei Personen unter 40 Jahren hin, sogar bei solchen ohne typische Risikofaktoren wie Diabetes oder Bluthochdruck.
Diese Symptome werden bei einer einfachen Gesundheitsuntersuchung nicht immer erkannt. Und im Streben nach sportlichen Zielen ignorieren viele die ersten Anzeichen: Müdigkeit, die als „normal“ erscheint, gelegentliches Herzklopfen oder Kurzatmigkeit, die auf mangelnde Fitness zurückgeführt wird. Bis die Symptome erkannt werden, ist der Körper bereits überlastet.
„In vielen Fällen bleiben diese zugrunde liegenden Probleme so lange unentdeckt, bis sie einen Schwellenwert überschreiten, meist in einem Moment körperlicher oder seelischer Belastung. Diese Belastung kann beispielsweise durch einen Sprint auf der letzten Meile, das Heben schwererer Gewichte als üblich oder auch durch Sport bei extremer Hitze entstehen“, fügte Dr. Christopher hinzu.
Die Fitnessrevolution im urbanen Indien ist größtenteils selbstgetrieben. Der Wandel ist deutlich sichtbar: von Laufgruppen und CrossFit-Boxen hin zu HIIT-Workouts, die per Smartphone gestreamt werden. Doch während Trainingsprogramme frei geteilt werden, spielt die Herzgesundheit oft keine Rolle.
Der Fokus liegt meist auf Krafttraining, Fettabbau und Leistungskennzahlen, selten auf inneren Indikatoren der kardiovaskulären Belastbarkeit. Die Trainer sind zwar engagiert, verfügen aber möglicherweise nicht immer über das nötige medizinische Wissen, und die Teilnehmer zögern oft, Beschwerden anzusprechen, aus Angst, dies könnte als Schwäche ausgelegt werden.
„Viele Fitnessstudio-Neulinge und Marathon-Anwärter stürzen sich ohne kardiologische Untersuchung in intensive Trainingsprogramme. Hinzu kommen Faktoren wie lange Arbeitszeiten, Schlafmangel, der Konsum von Stimulanzien (einschließlich einiger Pre-Workout-Supplemente) und eine schlecht geplante Ernährung. Dadurch gerät der Körper in einen Stresskreislauf. Ist das Herz bereits geschwächt, kann es dieser Belastung möglicherweise nicht standhalten“, so Dr. Christopher.
Darüber hinaus sind selbst schlanke und fitte Menschen gefährdet. Südasiaten haben eine höhere genetische Veranlagung zu koronarer Herzkrankheit, und dieses Risiko korreliert nicht immer mit sichtbarer Fitness.
„Eine Bescheinigung über die Lauftauglichkeit reicht nicht aus. Für Menschen über 35 oder mit einer familiären Vorbelastung für Herzerkrankungen können detailliertere Untersuchungen lebensrettend sein. Tests wie EKG, Echokardiografie, Belastungs-EKG und in manchen Fällen auch Kardio-MRT oder Koronarkalk-Bestimmung liefern ein umfassenderes Bild der Herzgesundheit“, erklärte Dr. Christopher.
Genauso wichtig ist es, die eigenen Grenzen zu kennen. Fitness ist individuell. Was für den einen funktioniert, kann den anderen überfordern. Es schadet nicht, langsam anzufangen, die Ausdauer bewusst aufzubauen und auf die Signale des Körpers zu hören.
„Die Lösung besteht nicht darin, mit dem Sport aufzuhören. Vielmehr geht es darum, nicht länger anzunehmen, dass Jugend oder gutes Aussehen gleichbedeutend mit Immunität sind. Vorsorgeuntersuchungen des Herzens, das Erkennen von Warnzeichen und grundlegende Erste-Hilfe-Kurse in Fitnessstudios und Veranstaltungsorten können einen großen Beitrag zur Rettung von Leben leisten“, so Dr. Christopher.
Schon kleine Schritte, wie beispielsweise die Durchführung eines grundlegenden Herz-Kreislauf-Checks vor Beginn eines neuen Trainingsprogramms, können einen Unterschied machen. Schulungen für Trainer, Mitarbeiter und Fitness-Communitys könnten die Lücke zwischen Leistung und Sicherheit schließen.
Als die Sängerin KK nach einem Konzert zusammenbrach und junge Läufer bei indischen Marathons die Ziellinie nicht lebend erreichten, trauerte das Land. Doch Trauer ohne Veränderung bedeutet, dass wir uns nächsten Monat, nächste Saison wieder mit derselben Frage auseinandersetzen werden.
Dr. Christopher schloss: „Wahre Fitness bedeutet nicht nur Schnelligkeit, Ausdauer oder sichtbare Muskeln. Es geht um Nachhaltigkeit. Es geht darum, seinen Körper zu kennen, nicht nur ihn zu formen. Da Indien immer schneller und fitter wird, muss das Herz Teil des Plans sein. Nicht als Nebensache, sondern als erster Schritt.“
Referenzlink
https://www.onlymyhealth.com/is-your-heart-fit-enough-for-your-workout-the-risks-most-indians-overlook-12977835962